EuGH zu den Verpflichtungen von Bietern bei Selbstreinigung

Für die Vergabe von Aufträgen im Bereich der Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung ist in der EU-Vergaberichtlinie bzw. im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) geregelt, in welchen Fällen öffentliche Auftraggeber ein Unternehmen von der Teilnahme an einem Vergabeverfahren ausschließen können.
Vorgesehen ist auch die Möglichkeit der Selbstreinigung eines Bieters. Bei Vorliegen eines Ausschlussgrundes können Bieter durch bestimmte Maßnahmen ihre Zuverlässigkeit „wiederherstellen“ und müssen diese dann entsprechend nachweisen (§ 125 GWB).
In einer aktuellen Entscheidung hat jetzt der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Straßburg näher ausgeführt, was Bieter tun müssen, um diesen Nachweis zu erbringen.

Vossloh Laeis GmbH vs. Stadtwerke München
Die Vorlage dafür liefert ein Streit zwischen der Vossloh Laeis GmbH und den Stadtwerken München.
Gegen die GmbH hatte das Bundeskartellamt 2016 im sogenannten „Schienenfall“ ein Bußgeld in Höhe von knapp 3,5 Mio. Euro verhängt. Beim Vertrieb von Weichen und Schienen hatte die GmbH mit anderen Unternehmen Absprachen getroffen, u.a. zu Lasten von Nahverkehrsunternehmen, wie das Bundeskartellamt damals feststellte. Um von einer Bonusregelung profitieren zu können, hatte die GmbH bei der Aufklärung mit dem Bundeskartellamt zusammengearbeitet.

Der Bußgeldbescheid des Bundeskartellamts
Die Stadtwerke München war zum einen selbst eine Geschädigte im Schienenfall, zum anderen hatte sie in einem Vergabeverfahren die Qualifikation der GmbH zu prüfen. In dem Verfahren äußerten die Stadtwerke dann auch Zweifel an der Zuverlässigkeit der GmbH – und verlangte für den Nachweis der Selbstreinigung die Übermittlung des Bußgeldbescheids des Bundeskartellamts, was die GmbH ablehnte. Sie befürchtet, dass die Stadtwerke die Unterlagen für deren private Schadensersatzklage gegen die GmbH ausnützen.
Die rechtliche Frage, ob Kartellanten zur Selbstreinigung auch gegenüber dem öffentlichen Auftraggeber umfassend aufklären müssen, reichte die angerufene Vergabekammer Südbayern an den EuGH weiter.

Selbstreinigung vor dem öffentlichen Auftraggeber
Die EuGH-Richter entschieden jetzt ausgesprochen auftraggeberfreundlich. Sie bejahten die Frage und trafen lediglich die Einschränkung, dass die aktive Zusammenarbeit mit dem öffentlichen Auftraggeber „auf die Maßnahmen beschränkt ist, die für die betreffende Prüfung unbedingt erforderlich sind“.
Dass die Übermittlung des Bußgeldbescheids den Stadtwerken die Durchführung ihrer zivilrechtlichen Schadensersatzklage erleichtern könnte, sahen die Richter dabei als unschädlich an (Rs. C-124/17).
Das Urteil gibt Auftragnehmern in solchen Fällen damit eine scharfe Waffe an die Hand, denn im Zweifel werden Bieter eher Informationen herausrücken, als den Ausschluss vom Vergabeverfahren zu riskieren.

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